Nicht - Kein - Nein Negationen: Wie Verneinungen unser Gehirn verwirren

Ich gratuliere dir dazu, dass du hier bei diesem Artikel gelandet bist. Vermutlich bist du mir gerade auf den Leim gegangen.

Tue das NICHT! Ich kann das nicht. Ich möchte keine Angst mehr haben. Greif bloß nicht auf die heiße Herdplatte. Sätze, die jeder kennt und vermutlich auch schon einmal selbst geäußert beziehungsweise gehört hat. Ein kleiner Selbsttest verrät dir, wie Menschen Verneinungen sprachlich verarbeiten. Befolge dazu einfach folgendes Szenario:

Bitte stell dir jetzt keine rote Rose vor, beziehungsweise denke nicht an einen rosa Elefanten.

Wir verneinen Verneinungen

Das menschliche Gehirn kann Wörter wie „nicht“, „nein“ oder „keine“, vor allem in einer Stresssituation, nur schwer verarbeiten. Somit kommen diese Informationen im Unterbewusstsein nur unter verminderten Umständen an. Grund dafür sind fehlende Abstraktionen und Konzepte für Verneinungen. Bei der Verarbeitung werden Wörter wie „nicht“ und „kein“ automatisch ausgeblendet beziehungsweise überhört und der Fokus wird trotzdem auf die Handlung gelegt. Für das obige Beispiel wäre das die Rose beziehungsweise der Elefant. Da es dafür kein negatives beziehungsweise verneintes Pendant gibt, kann man diese Verneinung im Beispiel nicht bildlich im Kopf abzeichnen.

Komisch, nicht?

Wenn unser Gehirn eine Botschaft falsch versteht

Das menschliche Gehirn, das aus zwei Hälften besteht, ist von Geburt an auf das „Ja“ programmiert. Bei Rechtshändern ist die linke Gehirnhälfte für die Logik und die Linearität verantwortlich. Sie verarbeitet Sachinformationen. Mit der rechten Gehirnhälfte verarbeiten wir Bilder, Emotionen und Erlebnisse.

Amerikanische Wissenschaftler der Tufts University (Medford, Massachusetts) haben eine Studie durchgeführt, in der sie untersuchten, wie sprachliche Verneinungen unser Gehirn fordern. Sie setzten Testpersonen Elektroden auf die Kopfhaut und ließen sie verschiedene verneinte Sätze lesen. Die Gehirnaktivitäten der verschiedenen Probanden wurden mittels EEG (Elektroenzephalografie) aufgezeichnet und ausgewertet.

Dabei kam heraus, dass wenn man Verneinungen wie die obige hört, die Botschaft logisch richtig in der linken Gehirnhälfte ankommt. Mit der rechten Gehirnhälfte sieht man im selben Moment jedoch den rosa Elefanten. Die rechte Gehirnhälfte versteht also keine Negationen. Verneinungen sind folglich Doppelbotschaften: Links kommt etwas anderes an als rechts. Somit stiftet man also Verwirrung im Gehirn. Die Forscher schlussfolgern, dass das Gehirn durch zwei unterschiedliche Meldungen verwirrt wird, wodurch die endgültige Verarbeitung verlangsamt beziehungsweise gestört ist.

Was bringt uns diese Erkenntnis?

Versuche, künftig Aussagen positiv darzustellen! Du wirst überrascht sein, wie einfach und erfolgreich Botschaften sein können und wie die Umwelt plötzlich positiv darauf reagiert. Man erlebt wesentlich weniger Kommunikationsmissverständnisse und hat mehr Freude am Umgang mit anderen Menschen!
Nachfolgend einige Beispiele. Wähle deinen Favoriten aus:

NICHT-Formulierung: Lauf nicht auf die Straße!
Gehirngerecht: Stopp! Bleib stehen!

NICHT-Formulierung: Du brauchst keine Angst zu haben.
Gehirngerecht: Du kannst dir sicher sein und schaffst das.

NICHT-Formulierung: Diesen Kunden dürfen wir auf keinen Fall verlieren!
Gehirngerecht: Dieser Kunde ist wichtig für uns. Bitte erstellen Sie ein Konzept, was es für den Kunden attraktiv macht, eine dauerhafte Partnerschaft mit uns einzugehen.

NICHT-Formulierung: Bei den ersten drei Sätzen darf ich mich auf keinen Fall wieder versprechen.
Gehirngerecht: Konzentration! Die ersten drei Sätze sind wichtig. Es wird mir diesmal sicherlich gelingen.

Diese Ergebnisse liefern nicht nur einen Erkenntniszuwachs für Kommunikationswissenschaftler, Linguisten und Psychologen, sondern können auch von jedem einzelnen persönlich genutzt werden, um beispielsweise Gespräche zu vereinfachen und ihnen sogar einen positiven Hauch zu verleihen. Verzichte im Alltag auf Verneinungen, beispielsweise indem du in Zukunft lieber öfter „Das ist gut.“ anstatt „Das ist nicht schlecht.“ sagst.

Die kognitive Verarbeitung von Negationen

Das menschliche Gehirn bevorzugt positive und direkte Aussagen, da diese einfacher und schneller zu verarbeiten sind. Bei negativen Aussagen muss das Gehirn einen zusätzlichen Schritt machen: Zuerst die positive Form der Aussage erstellen und dann diese negieren. Dieser Prozess ist kognitiv aufwendiger und kann zu Verzögerungen und Missverständnissen führen.

Eine Studie der New York University zeigte, dass Teilnehmer länger brauchten, um die Bedeutung von Aussagen mit Negationen zu verstehen, verglichen mit positiven Aussagen​​. Dies liegt daran, dass das Gehirn die negierte Information zunächst in eine positive Form umwandelt und diese dann negiert.

Inhibitorische Mechanismen

Neuere Forschungen haben gezeigt, dass Negationen inhibitorische Mechanismen im Gehirn aktivieren, die die Verfügbarkeit von Informationen reduzieren​ (PLOS)​. Diese Mechanismen sind Teil der allgemeinen kognitiven Kontrollsysteme, die auch bei anderen kognitiven Aufgaben eingesetzt werden. Das bedeutet, dass Negationen nicht nur die unmittelbare Verarbeitung verlangsamen, sondern auch die langfristige Erinnerung an die negierten Konzepte beeinträchtigen können.

Pragmatik und Kontext

Der Kontext spielt eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung von negativen Aussagen. Eine Studie der Association for Psychological Science fand heraus, dass negative Aussagen, die pragmatisch lizenziert sind (d.h., sie sind natürlich und informativ), leichter zu verarbeiten sind als solche, die pragmatisch unlizenzierte (unnatürliche und nicht hilfreiche) Aussagen darstellen​ . Dies zeigt, dass unser Gehirn besser in der Lage ist, nützliche und kontextuell passende Negationen zu verarbeiten.

Dieses Wissen hat praktische Implikationen für die Kommunikation in verschiedenen Bereichen:

Werbung und Marketing:

Positiv formulierte Botschaften sind oft effektiver als negative. Statt «Unser Produkt enthält keine schädlichen Chemikalien» ist «Unser Produkt ist sicher» klarer und einprägsamer.

Erziehung und Bildung: Positive Anweisungen («Bitte sei leise») sind in der Regel wirksamer als negative («Sei nicht laut»).
Selbstgespräche und Therapie:

Positive Selbstgespräche können helfen, das Selbstvertrauen und das Wohlbefinden zu steigern, indem sie die kognitive Belastung durch Negationen vermeiden.

Fazit

Negationen sind ein mächtiges sprachliches Werkzeug, das jedoch mit Vorsicht eingesetzt werden sollte. Das Verständnis darüber, wie unser Gehirn Negationen verarbeitet, kann uns helfen, unsere Kommunikation klarer und effektiver zu gestalten. Indem wir uns für positive Formulierungen entscheiden und kontextuell angemessene Negationen verwenden, können wir Missverständnisse reduzieren und unsere Botschaften klarer vermitteln.

 

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Quellen:

Inhibitory Mechanisms in the Processing of Negations: A Neural Reuse Hypothesis. Journal of Psycholinguistic Research. Springer Link​ (SpringerLink)​
Negation mitigates rather than inverts the neural representations of adjectives. PLOS Biology. PLOS Journals​ (PLOS)​
True or False? How Our Brain Processes Negative Statements. Association for Psychological Science. ScienceDaily​ (ScienceDaily)​